Das Säulenspiel Laska
Renaissance einer fast vergessenen Dame-Variante mit Verbindungen zum Schach
Von Wolfgang Angerstein
Wie ich zum Laska-Fan wurde
Vom 11. bis 14. Januar 2001 fand in Potsdam eine
internationale Konferenz zum 60. Todestag des bislang einzigen Deutschen Schachweltmeisters
Emanuel Lasker (24.12.1868 – 11.1.1941) statt, die vom Moses-Mendelssohn-Zentrum/Potsdam
und vom Wilhelm-Fraenger-Institut/Berlin unter der Schirmherrschaft des Bundesinnenministers
Otto Schily veranstaltet wurde. Die Tagung mit dem beziehungsreichen Motto
"homo ludens - homo politicus" wurde u.a. von zahlreichen Schachspielern
und Politikern aus acht europäischen Ländern besucht, die interessanten wissenschaftlichen
Vorträge und Diskussionen fanden ebenso allgemeine Anerkennung wie die Gründung
einer Internationalen Emanuel-Lasker-Gesellschaft (http://www.lasker-gesellschaft.de)
mit Sitz in Berlin.
Anlässlich dieser bemerkenswerten Konferenz hatte ich am Nachmittag
des 13.1.2001 das ungeahnte Vergnügen, völlig unvorbereitet Zeuge einer ebenso
leidenschaftlichen wie faszinierenden Demonstration des Laska-Spieles durch
Harald Klingler-Mandig aus Berlin zu werden. Zwar hatte ich als Schachspiele-Sammler
zuvor schon vage von der Existenz des Laska-Spieles gehört. Die praktische
Vorführung und die interessanten Erläuterungen von Herrn Dr. Klingler-Mandig
weckten jedoch zunehmend meine Neugier auf dieses taktische Brettspiel, welches
ich bis dato kaum beachtet hatte. Ich war spontan beeindruckt und begeistert,
weshalb ich mir vornahm, mehr über "Laska" (auch "Lasca"
oder "Lasker's" genannt) zu erfahren. Bei der nun folgenden eineinhalbjährigen
Quellensuche zur Entstehung und Verbreitung des Spieles fand ich sehr nette
Hilfe sowohl durch Privatpersonen als auch durch Bibliotheken. Zu meinem großen
Erstaunen entstanden weltweite Kontakte in neun verschiedene Länder ( Australien,
Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, Niederlande, Rußland,
USA). Ohne die wertvollen Hinweise und Informationen dieser Brettspiel-Enthusiasten
und Bibliotheken wäre der jetzige Beitrag niemals zustande gekommen. Zudem
hatte ich großes Glück, acht Monate lang von einem sehr interessierten und
engagierten Studenten (Herrn cand. phil. Benno Klissenbauer) unterstützt zu
werden, dem ich für seine Geduld und seinen Fleiß zu großem Dank verpflichtet
bin.
Einige Ergebnisse dieser intensiven Literaturrecherchen und persönlichen
Begegnungen sollen nun vorgestellt werden.
Ursprünge und Entstehung des Laska-Spieles
Lasker selbst schrieb 1931 in seiner Monographie "Brettspiele der
Völker" zur Entstehung seines Spieles: "Aus bei verschiedenen Völkern
vorhandenen Elementen habe ich ..... eine Art des Damespiels konstruiert",
und zwar durch "Kombination des englischen Damespiels mit einer russischen
Abart und durch Erfindung eines ... vereinfachten Brettes". Mit der "russischen
Abart" des englischen Damespiels dürfte nach Machatscheck (1984, 1990)
das Spiel "Baschni" (russisch: Türme) gemeint sein, welches Lasker
bei seinen Besuchen in Russland kennen- und schätzen gelernt habe. In der
Tat erscheint es möglich, dass Lasker dem Baschni-Spiel bei seinen ersten
Aufenthalten in Moskau begegnet ist, denn er nahm dort sowohl 1896 als auch
1899 an internationalen Schachtunieren teil. Das Regelwerk für "Baschni"
entspricht im wesentlichen den Regeln des anglo-amerikanischen Damespiels
(engl. "draughts", in Amerika "checkers" genannt), jedoch
werden geschlagene Steine nicht vom Brett genommen, sondern unter den schlagenden
Stein gestellt und gleichsam als Gefangene mitgeführt. Auf diese Weise entstehen
Türme bzw. Säulen übereinanderliegender Spielsteine, weshalb der englische
Ausdruck für "Baschni" "column draughts" lautet. "Baschni"
(auch "Bashne" genannt) wurde erstmals im Jahre 1875 durch den Moskauer
Autor V. Viskovitov beschrieben. Das Spiel ist jedoch sicherlich älter, denn
Viskovitov berichtet, dass "Baschni" zum Zeitpunkt der Entstehung
seines Buches "bereits gut bekannt gewesen" sei (Michaelsen &
Pakhomov 2000). Bis auf den heutigen Tag erfreut es sich in Rußland allgemeiner
Beliebtheit, in St. Petersburg und Moskau finden regelmäßig "Baschni"-Turniere
statt.
Das Laska-Spiel muss sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien
im Jahre 1911 erstmals auf den Markt gekommen sein. Für diese Vermutung sprechen
verschiedene Hinweise:
- Die Universitätsbibliothek
Cambridge besitzt eine 1911 erschienene Broschüre von Lasker mit dem Titel
"Rules of Lasca - The great military game" (Signatur-Nr.: 1911.10.210).
Dieses Regelwerk ist das älteste bislang bekannte Dokument zum Laska-Spiel.
- In dem Fachjournal
"Wegweiser für die Spiel-, Galanterie- und Kurzwaren-Industrie"
erschien 1911 mindestens dreimal eine Werbeannonce für Laska. Das Spiel wurde
dort von der Firma Hans Joseph GmbH/Berlin-Schöneberg angeboten. Auch eine
Präsentation auf der Leipziger Messe wird erwähnt.
- In einem Heft der
Wiener Schachzeitung vom 2.1.1912 findet sich auf Seite 26 eine kurze Notiz
über die Berliner Vorstellung von Laska durch Lasker im Künstlerhause. Man
darf daher annehmen, dass diese Berliner Präsentation des Spieles gegen Ende
des Jahres 1911 stattgefunden haben muss.
Martha Lasker, die Ehefrau des Schachweltmeisters,
schrieb Mitte der 1930er Jahre in Aufzeichnungen für die sowjetische Presse
über die Entstehung des Laska-Spieles: "Nach feinen strategischen Grundsätzen
arbeitete er [Emanuel Lasker] 17 Jahre an einem Spiel, um es ganz einfach
verständlich zu machen. Ein Kind sollte es sofort erfassen und mit seinem
Vater spielen können. Zum Genusse für beide. Die Freude am Spiel soll sofort,
und die Schwierigkeit sollte allmählich erst erfasst werden. "Lasca"
nannte er das Spiel. Mathematik-Studenten in Göttingen rechneten von Lasca
aus, dass es eine astronomische Zahl von Kombinationen habe "(zitiert
nach Linder & Linder 1991). Da das Spiel 1911 auf den Markt gekommen ist
und Lasker nach Angaben seiner Ehefrau 17 Jahre an Laska gearbeitet hat, muss
demnach die erste Idee zu diesem Spiel um 1894 (17 Jahre vor 1911) entstanden
sein. Wir haben durch die Aussage von Martha Lasker somit einen indirekten
Hinweis darauf, dass Emanuel Lasker bereits seit etwa 1894 mit der Idee für
das Spiel befasst war. Der Literatur ist jedoch nicht zu entnehmen, ob Lasker
wusste, dass "Laska" auf Tschechisch "Liebe, Zuneigung"
und auf Russisch "Wiesel" bedeutet.
Die wichtigsten Spielregeln
Jeder Spieler hat 11 Steine, der eine weiße, der andere schwarze, die
Lasker als "Soldaten" bezeichnete. Gespielt wird auf einem Schachbrett
mit 7 × 7 Feldern, bei dem die Felder der vier Ecken die gleiche Farbe haben
müssen wie die Felder, auf denen die Spielsteine aufgestellt werden. Man kann
ebenso auf einem Schachbrett (8 × 8 Felder) spielen, wobei dann nur die Kreuzungen
der einzelnen Schachfelder mit den 2 × 11 Steinen besetzt werden. Alternativ
ist auch ein Spielbrett möglich, das Lasker schon 1911 in seinem oben genannten
Regelwerk beschrieben hat: Wenn man die weißen Felder des 7 × 7-Schachbrettes
durch Kreise ersetzt und die schwarzen Felder weglässt, dann entsteht ein
Spielbrett mit 25 Kreisen in sieben Reihen (Abb. 1).
insert Abb. 1 here
Die sieben Reihen bestehen abwechselnd aus vier bzw.
drei runden Spielfeldern, welche von 1 bis 25 durchnummeriert werden. Die
Notation der einzelnen Spielzüge kann demzufolge entweder wie beim Schach
oder aber, wie von Lasker ursprünglich vorgeschlagen, durch Benennen der nummerierten
kreisrunden Spielfelder erfolgen.
Bei Spielbeginn besetzen die elf
weißen bzw. die elf schwarzen Steine nach Angaben der meisten Autoren jeweils
die weißen Felder der ersten drei Reihen des 7 × 7-Schachbrettes. Es wird
also fast immer auf den weißen Feldern gespielt. Bei dem von Lasker angegebenen
Spielplan mit 25 kreisrunden Spielfeldern werden die Felder 1 – 11 bzw. 15
– 25 mit den 2 × 11 Spielsteinen besetzt. Die mittlere Reihe (mit drei weißen
Schachquadraten bzw. mit den kreisrunden Spielfeldern Nr. 12 – 14) bleibt
frei.
Die Spieler ziehen abwechselnd, Weiß
beginnt. Die Spielsteine ("Soldaten", manchmal auch "Schützen"
genannt) werden wie beim Damespiel bewegt und schlagen auch so (Schlagzwang).
Allerdings wird beim Schlagen der gegnerische Stein nicht aus dem Spiel genommen,
vielmehr wird er unter dem schlagenden Stein mitgenommen. Der überspringende
Stein nimmt also – anders als beim Damespiel – den feindlichen, übersprungenen
(geschlagenen) Stein nicht vom Brett, sondern unter sich mit. So entstehen
bald verschieden hohe Türme (auch "Säulen" genannt), von denen beim
Schlagen jeweils nur der oberste Stein weggenommen werden darf. Befinden sich
also unter dem geschlagenen Stein weitere, bereits vorher mitgenommene Steine,
so wird jeweils nur der oberste Stein einer solchen Säule entfernt. Die verschieden
hohen und verschieden zusammengesetzten Türme haben unterschiedliche Wertigkeiten:
Es entsteht ein Spiel mit vielen verschieden starken Figuren, obwohl alle
nur die gleichen Ein-Schritt-Züge machen. Mehrfachsprünge sind wie beim Damespiel
möglich, wenn das Feld hinter dem zu überspringenden Stein frei ist. Solche
Mehrfachsprünge resultieren in mehreren gefangenen und befreiten Steinen.
Man kann den Gegner zum Überspringen einer Säule zwingen, bei der nur der
oberste Stein die Farbe des Gegners hat. Dann werden vom Gegner gefangene
eigene Steine der betreffenden Säule befreit und wieder ins Spiel gebracht.
Der ständige Wechsel von Anzahl, Zusammensetzung und Stärke der Säulen bzw.
Türme eines jeden Spielers macht den Reiz und die Besonderheit des Laska-Spieles
aus. Dabei verleiht das Säulenkonzept dem Spiel eine Art "Pseudo-Dreidimensionalität".
Gelingt es einem einzelnen Stein oder einem Turm,
die gegnerische Grundlinie zu erreichen, dann wird dieser einzelne Stein bzw.
der oberste Stein dieses Turmes zum "Offizier" befördert. Der einzelne
Stein bzw. der Turm darf jetzt auch rückwärts ziehen, jedoch – im Gegensatz
zur Dame des Schach- oder Damespieles – wie die gewöhnlichen Steine (Soldaten)
jeweils auch nur ein einziges Feld weit.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Offiziere
optisch von den einfachen Spielsteinen (Soldaten) zu unterscheiden:
- Man spielt mit vier verschiedenen
Farben, wie von Lasker bereits 1911 vorgeschlagen: Die Soldaten sind weiß
bzw. schwarz, die Offiziere der weißen Soldaten sind grün, die Offiziere der
schwarzen Soldaten sind rot. Ein Beispiel für ein solches Spiel zeigt die
Abb. 2. Es handelt sich hier um ein Laska-Spiel, welches im Jahre 1928 von
der New Yorker Firma Block House hergestellt wurde.
insert Abb. 2. here
- Man spielt nur mit zwei
Farben, jedoch hat jede der beiden Farben transparente und nicht-transparente
Spielsteine, um so Soldaten und Offiziere zu differenzieren. Abb. 3 zeigt
ein Beispiel für derartige Spielsteine.
insert Abb. 3 here
Diese Spielsteine wurden in den 1970er Jahren (1. Auflage) und in den
1980er Jahren (2. Auflage) von der Firma F. X. Schmid produziert, welche zunächst
in Prien am Chiemsee ansässig war und später nach München übersiedelte. Für
diese beiden Varianten gilt, dass die einfachen Spielsteine bei Erreichen
der gegnerischen Grundlinie gegen die Offiziers-Steine ausgetauscht werden.
Die Soldaten werden also jeweils vom Brett genommen und bleiben außerhalb
des Spielfeldes, sobald sie zu Offizieren befördert werden.
- Die Offiziers-Steine
werden an der Außenkante mit einem Punkt markiert, welcher den einfachen Spielsteinen
(Soldaten) fehlt. Auf diese Weise lässt sich Laska auch mit Dame-Steinen spielen.
Die Türme werden von demjenigen Spieler
"kommandiert", dem der oberste Stein einer solchen Säule gehört.
Dieser Stein wird "Führer" oder "Kommandant" genannt.
Er bestimmt, wie der entsprechende Turm sich bewegt bzw. andere Steine gefangen
nimmt. Die in einer derartigen Säule befindlichen gegnerischen Steine heißen
"Gefangene". Wenn der Gegner einen solchen Turm überspringt, dann
wird ja bekanntlich nur dessen oberster Stein (der "Führer" oder
"Kommandant") gefangen genommen. Die übersprungene Säule ist also
um eine Figur kleiner geworden und hat einen neuen Führer. Befinden sich zwei
oder mehr Steine der gleichen Farbe am oberen Ende eines Turmes, so spricht
man von einer "Bombe". Bomben gelten als besonders starke Spielsteine.
Sobald eine Säule die gegnerische Grundlinie erreicht, wird ihr Kommandant
zum Offizier befördert, und der Zug endet. Offiziere können niemals degradiert
werden, auch dann nicht, wenn sie gefangen genommen werden (referiert nach
Gering 2002).
Aufgrund dieser Spielregeln nimmt
jede Laska-Partie zwangsläufig folgenden Verlauf: Während die Zahl der auf
dem Brett befindlichen Spielsteine konstant bleibt, entwickelt sich eine immer
weiter abnehmende Zahl immer größerer Säulen. Das Spiel steuert somit quasi
automatisch oder natürlich auf sein Ende zu. Dieser im Regelwerk implementierte
Automatismus macht einen weiteren Reiz des "Laska" aus.
Sieger ist derjenige Spieler, der
seinen Gegner bewegungsunfähig macht oder aber alle gegnerischen Steine schlägt.
Das Laska-Spiel endet somit, wenn entweder
- ein Spieler nicht mehr ziehen kann, d.h. total blockiert ist, oder
- alle Säulen von
Figuren einer Farbe kommandiert werden, d.h. alle gegnerischen Steine gefangen
sind.
Ziel des Spieles ist es somit, der
Letzte zu sein, der noch mit seinen Steinen ziehen kann. Analog zum Schach
wird eine Laska-Partie natürlich auch dann gewonnen, wenn der Gegner aufgibt.
Ein unentschiedener Spielausgang
(Remis) ist bei "Laska" eigentlich nicht möglich, denn es gibt keine
Doppelecken wie beim Damespiel, in denen eine Figur hin- und herziehen könnte.
Dennoch finden sich gelegentlich unentschiedene Laska-Partien in der Literatur.
Ein solches Remis kann zwei Gründe haben:
- Eine immer gleiche
Abfolge von Spielzügen wiederholt sich mehrmals, ohne dass eine der beiden
Parteien dadurch einen Vorteil erlangen könnte. Ein derart unentschiedener
Spielausgang erinnert an das Remis durch "Dauerschach" bzw. "Ewiges
Schach". Wie oft sich eine solche Zugfolge wiederholen muss, ist dabei
individuell vor jedem Spiel oder Turnier festzulegen.
- Die Gegner einigen
sich auf einen unentschiedenen Ausgang der Partie. Auch diese Art des Remis
ist vom Schachspiel her bekannt.
Insofern haben unentschiedene Spielausgänge
beim "Laska" einige Verwandtschaft zum Schach. Lasker hatte ursprünglich
ein derartiges Remis möglichst vermeiden wollen: Michaelsen berichtet nämlich,
Lasker habe "sich zum Ziel gesetzt, eine Variation des Damespiels zu
konstruieren, bei der nicht so schnell ein Remis resultiert, wenn zwei gute
Spieler aufeinander treffen" (Michaelsen 1994a). Zwischen zwei erfahrenen
Spielern sollte eine Partie möglichst selten unentschieden enden. Dennoch
ist es offenbar so, dass ein Remis (oder zumindest ein recht langweiliges
Endspiel) entstehen kann, wenn es keinem der beiden etwa gleich starken Kontrahenten
gelingt, bereits im Mittelspiel einen entscheidenden Vorteil zu erringen.
Diese Tatsache, dass einer der beiden Spieler im frühen Mittelspiel einen
signifikanten Vorteil erkämpfen muss, um einen unentschiedenen Spielausgang
zu vermeiden, könnte ein wichtiger Grund dafür sein, dass "Laska"
in Russland zumindest unter starken Spielern nicht so populär ist wie "Baschni"
(persönliche Mitteilung von Sergey N. Ivanov, einem der besten russischen
Baschni-Spieler).
Weitere Details des Laska-Regelwerks
finden sich in dem soeben erschienenen, sehr informativen Laska-Artikel von
Ralf Gering (Gering 2002).
Verwandtschaft und Unterschiede zu anderen Brettspielen
(Baschni, Dame, Schach, Säulenspiele)
Aufgrund der Spielregeln ergibt sich
somit, dass "Laska" einerseits mit dem Damespiel verwandt ist, andererseits
aber auch Analogien zum Schachspiel hat, wobei es sich historisch aus dem
russischen Baschni-Spiel entwickelt hat. Diese Beziehungen zwischen "Laska",
Dame, Schach und "Baschni" sollen im Folgenden näher beleuchtet
werden.
Im Vergleich zum Damespiel fällt
zunächst auf, dass beim "Laska" die übersprungenen, geschlagenen
Steine nicht vom Brett genommen, sonder unter die überspringenden Steine plaziert
und so in Säulen bzw. Türme integriert werden. Auf diese Weise kann es – anders
als bei Dame oder Schach – innerhalb eines einzigen Zuges zu einer plötzlichen
Umkehr der Spielsituation kommen: Die Mitnahme bzw. Gefangennahme eines einzigen
übersprungenen Steines kann eine mächtige Säule eigener oder gegnerischer
Spielsteine befreien und so dem bislang schwächeren Spieler urplötzlich einen
entscheidenden Vorteil verschaffen. Umgekehrt kann eine sehr starke Spielstellung
auf diese Weise in wenigen Sekunden zunichte gemacht werden. Die englische
Laska-Terminologie spricht hier von "sudden reversal of fortune".
Die Offiziere des Laska-Spieles sind gegenüber der Dame des Schach- oder Damespieles
relativ unbeweglich, denn sie dürfen wie die gewöhnlichen Steine (Soldaten)
jeweils nur ein einziges Feld weit ziehen. Hierin liegt ein besonderer Reiz
des "Laska". Das einzige Privileg der Offiziere besteht somit darin,
dass sie sich in alle Richtungen diagonal bewegen dürfen. Insofern sind die
Offiziere des "Laska" hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit zwischen
dem König und dem Läufer des Schachspieles anzusiedeln: Zwar können sie sich
wie die Läufer in alle Richtungen diagonal fortbewegen, jedoch wie der König
jeweils nur um ein Feld. Die Kampfkraft der Laska-Offiziere ist wegen dieser
relativen Unbeweglichkeit im Vergleich zur Dame des Schach- oder Damespieles
nicht so hoch wie die Spielstärke der Dame einzuschätzen. Dafür werden die
Offiziere schwerer Opfer eines Schlagzwang-Manövers als die Dame im Damespiel.
"Laska" wird auf einem
Brett mit 7 × 7 Feldern gespielt, während Dame, "Baschni" und Schach
jeweils auf 8 × 8 Feldern gespielt werden. "Laska" kann sowohl auf
den weißen (wesentlich häufigere Variante) als auch auf den schwarzen (wesentlich
seltenere Spielweise) Feldern des 7 × 7 Brettes gespielt werden. "Baschni"
und Dame werden hingegen immer auf den schwarzen Feldern des 8 × 8-Brettes
gespielt, wobei in der rechten unteren Ecke dieses Brettes jeweils ein weißes
Spielfeld sein muss. Sowohl "Laska" als auch Dame, "Baschni"
und Schach unterscheiden jeweils zwei Arten von Spielfiguren: Da sind einerseits
die gewöhnlichen Spielsteine, bei "Laska" meist als "Soldaten",
bei Schach und "Baschni" als "Bauern" bezeichnet. Und
da sind andererseits die Spielsteine mit besonderen Privilegien, bei "Laska"
und Schach "Offiziere", bei "Baschni" "König"
und beim Damespiel "Dame" genannt. Eine Umwandlung der einfachen
in privilegierte Spielsteine ist bei allen vier Brettspielen ("Laska",
Dame, "Baschni", Schach) möglich und erstrebenswert. Darüber hinaus
sind sowohl bei "Laska" als auch bei "Baschni" "Bomben"
möglich und erstrebenswert. Während Schach mit 2 × 16 Figuren gespielt wird,
sind es bei Dame und Baschni je 2 × 12 und bei Laska 2 × 11 Spielfiguren.
Die Anzahl der Spielsteine bleibt bei "Laska" und "Baschni"
während des gesamten Spieles konstant, während sie bei Dame und Schach im
Verlaufe der Partie immer weiter abnimmt. Der Hauptunterschied zwischen "Laska"
und "Baschni" besteht darin, dass "Laska" auf einem eigenen
Brett (7 × 7 viereckige oder 25 runde Felder) gespielt wird, während "Baschni"
auf dem allgemein üblichen Schach- oder Damebrett mit 8 × 8 Feldern gespielt
wird.
Anders als beim Schach ist Zeitnot
bzw. das Spiel gegen eine Uhr bei "Laska" und "Baschni"
nicht üblich.
"Laska" ist ein strategisches Verstandesspiel, d.h. ein Kampfspiel. Dafür spricht
schon die 1911 von Lasker gewählte Bezeichnung der englischen Erstausgabe
als "great military game" (Gering 2002). Auch die Nomenklatur ist
so, wie es sich für einen echten Kampf gehört: Das Regelwerk kennt
Kommandanten bzw. Führer ebenso wie Bomben. Es gibt Offiziere und Soldaten,
die gefangengenommen, kommandiert, befreit oder befördert werden können. Diese
Manöver erfordern strategisches Verständnis und taktisches Geschick.
Lasker selbst vergleicht in "Brettspiele
der Völker" Dame und "Laska" wie folgt: "Es ist .....
klar, dass das Damespiel ..... den Mangel hat, dass zwischen erfahrenen Spielern
der Ausgang der Partie zumeist schlicht ist. Das will sagen, dass die Aufgaben,
die das Damespiel dem Spieler stellt, zumeist bereits gekonnt und beherrscht
sind. Es ist aber das Ungewisse, das den Geist anzieht und verzaubert. .....
Aus bei verschiedenen Völkern vorhandenen Elementen habe ich daher eine Art
des Damespiels konstruiert, das dem obigen Mangel ..... abhilft. ..... Durch
Kombination des englischen Damespiels mit einer russischen Abart und durch
Erfindung eines diesem Spiel besonders angepaßten vereinfachten Brettes habe
ich das mir gesteckte Ziel der Aufstellung eines sehr einfachen und doch gehaltvollen
Spieles zu erreichen getrachtet" (Lasker 1931: 226). Dieses von ihm kreierte
Brettspiel habe er "Laska" genannt. Das Damespiel erschien Lasker
somit zu wenig abwechslungsreich, zu eintönig und zu leicht beherrschbar.
Demgegenüber stellt "Laska" nach Ansicht seines Erfinders höhere
Anforderungen an den "beweglichen Geist ..... eines schöpferischen Denkers."
"Laska" diene dem "Zwecke eines spielerischen Kampfes, welcher
ungebunden und phantasiereich sein will" (Lasker 1931: 226).
Weitere Unterschiede und Gemeinsamkeiten
von "Baschni", Schach, Dame und "Laska" sind in der Literatur
ausführlich beschrieben worden (z.B. Michaelsen 1994a, 1994b; Michaelsen &
Pakhomov 2000), weshalb ich hier auf Einzelheiten verzichten kann. Vor allem
Peter Michaelsen hat sich mit vergleichenden Betrachtungen von "Baschni",
"Laska" und Dame beschäftigt. Seine diesbezüglichen Artikel erschienen
meist in "Hoofdlijn", einer niederländischen Zeitschrift, die sich
speziell dem Damespiel und seinen Varianten widmet. Peter Michaelsen hat auch
gute Kontakte zu diversen russischen Baschni- und Laska-Spielern, mit denen
er immer wieder entsprechende Partien austrägt.
"Laska" gehört zur Gruppe
der Säulen- oder Turmspiele (engl. "column games"). Dieser Familie
von Brettspielen ist gemeinsam, dass dem Gegner abgenommene Spielsteine zwar
übersprungen, nicht jedoch vom Brett genommen werden. Die so eroberten bzw.
gefangenen Spielsteine werden zu Säulen bzw. zu Türmen gestapelt. Das älteste
dieser Säulenspiele ist "Baschni" (auch als "Bashne" bezeichnet),
gefolgt von "Laska". 1956 folgte mit "Pasta" das dritte
Säulenspiel, 1965 mit "Focus" (auch unter den Namen "Domination"
oder "Stack" bekannt) das vierte, Ende der 1960er Jahre mit "Stapeldammen"
das fünfte. Mitte der 1980er Jahre kamen "Emergo" und "HexEmergo"
hinzu. Seit den 1990er Jahren hat sich die Familie der Säulenspiele um mindestens
fünf weitere Vertreter ("Baschni-pro", "Gomony", "Plateau",
"Topper" und seine Varianten, "Tumbling Down") vergrößert.
Alle bisherigen Spielevergleiche
("Laska" - Dame - Schach - "Baschni" und andere Säulenspiele)
bezogen sich auf Regeln, Taktik und Strategien. Jedoch muss auch erwähnt werden,
dass Jacques Hannak bereits 1952 in seiner Lasker-Biographie einen bemerkenswerten
philosopisch-existentialistischen Vergleich zwischen "Laska" und
Schach angestellt hat: Laut Hannak ist "Laska" "ein Kampfspiel
... auf viel weniger Feldern als auf einem Schachbrett – man benötigt nur
ein Viertel des Raumes – ... mit viel einfacheren und leichteren Regeln, ein
Spiel, selbst für Kinder leicht erlernbar und doch auch für den gereiftesten,
erwachsenen Menschen ein wahres Vergnügen". Da "eine gegnerische
Figur, wenn sie erobert wird, nicht vom Brett verschwindet, ... sondern stehen
bleibt und auf ihrem Rücken die feindliche Figur aufgesetzt bekommt, der sie
nun künftig als Lasttier und Arbeitstier zu dienen hat", ist das Spiel
"ein Symbol des Aufbaus der menschlichen Gesellschaft." Denn "die
"Säule" gehorcht stets nur dem "Kopf", der Figur, die
ganz zu oberst auf ihr sitzt." Beim Schach hingegen verschwindet eine
gegnerische Figur vom Brett, wenn sie erobert wird. Hier herrsche der Gedanke
des "unbedingten Vernichtens jedes feindlichen Gefangenen". "Laska"
hingegen sei in dieser Beziehung ein "absolut modernes" Spiel, denn
der Besiegte "wird nicht mehr ausgerottet, sondern nur versklavt, nicht
mehr sein Tod wird erstrebt, sondern die gewinnbringende Ausbeutung seines
Lebens, nicht mehr sein Körper wird getötet, sondern nur seine Seele".
Der besondere Reiz des Laska-Spieles bestünde darin, dass "die gegnerische
Figur auf dem Kampffelde bleibt, nur ... unter dem Befehl eines gegnerischen
Kommandanten zwangsweise gegen die eigenen Truppen" kämpfen müsse. "Laska"
biete aber auch die Möglichkeit, dass "eine solche "Säule"
unterworfener Sklaven wieder frei wird, ... indem der auf ihr sitzende "Kopf"
abgeschlagen wird". Während Schach, "geboren in uralten Zeiten",
somit den Grundgedanken des Abschlachtens von Gefangenen und Besiegten in
sich trage, sei das "moderne" Laska-Spiel nicht mehr auf den Tod
des Kontrahenten ausgerichtet, sondern vielmehr auf seine Unterwerfung und
auf die parasitäre Ausnutzung des Gegners zum eigenen Vorteil. Hannak resümiert
in Anspielung auf Laskers philosophische Schriften wie "Kampf" und "Philosophie
des Unvollendbar", dass dieses von Lasker erfundene Spiel "vielleicht
seine größte philosophische Leistung, sein schönster Beitrag zur Erkenntnis
der menschlichen Entwicklung" sei.
Verbreitung des Laska-Spieles bis zur Machtergreifung
Hitlers
In den gut 20 Jahren von 1911 (Erstveröffentlichung
des Spieles und seiner Regeln in Deutschland und Großbritannien) bis zur nationalsozialistischen
Machtergreifung ist "Laska" in Deutschland, den Niederlanden und
den USA recht populär gewesen. In "Brettspiele der Völker" schrieb
Lasker selbst zur Verbreitung seines Spieles: "Das Spiel Laska hat bereits
viele Freunde in Deutschland, Holland und Amerika. ..... Es hat einige Zehntausende
von Anhängern" (Lasker 1931: 231). Am 1.12.1927 gründete Lasker in Berlin
eine "Schule für Verstandesspiele", wo neben "Laska" auch
andere intellektuelle Spiele (Schach, Dame, Go, Bridge, Skat, Tarock, Solitaire)
gelehrt wurden (Hannak 1952, Michaelsen 1994b). All diese Spiele, die der
Schachweltmeister jahrzehntelang praktiziert und analysiert hatte, wurden
nun von ihm "zu einem großen geschlossenen Unterrichtssystem" vereinigt.
Dabei "förderte Lasker die geistigen Spiele insbesondere beim weiblichen
Geschlecht" (Hannak 1952).
Speziell in den Niederlanden dürfte
"Laska" schon in den 1920er Jahren enthusiastisch aufgenommen worden
sein, wie die folgenden Quellen belegen: In ihrem am 28.1.1922 erschienenen
Nachruf auf den Delfter Mathematikprofessor P. J. Henri Baudet berichtet eine
Frau E. Arrias, dass im Hause der Eheleute Baudet am 17.9., 15.10., 22.10.,
28.10. und 12.11.1920 regelmäßige Zusammenkünfte "mit einer größeren
Gesellschaft" stattgefunden hätten, um das Laska-Spiel "näher kennenzulernen"
(Arrias 1922). Am 26.11.1920 habe ein weiteres Treffen dieser Gesellschaft
im Hause von Dr. R. J. Escher in der Columbusstraat 152 in Den Haag stattgefunden.
Bei diesem Treffen sei eine Laska-Vereinigung gegründet worden. Die Vereinsordnung
mit den einschlägigen Statuten sei von Herrn Dr. J. Teixeira de Mattos, einem
Ingenieur aus Den Haag, verfaßt worden. Von den Mitgliedern sei ein Vorstand
gewählt worden, dem Herr Prof. Dr. P. J. H. Baudet als Vorsitzender, Herr
Dr. J. Teixeira de Mattos als Sekretär und Archivar sowie Frau M. J. E. Arrias-van
den Berkhof als Kassenführerin angehörten. Die Gründungsurkunde dieser Laska-Vereinigung
mit den Unterschriften der Gründungsmitglieder ist in dem am 28.1.1922 erschienenen
Nachruf auf Prof. Baudet abgebildet (Arrias 1922). E. Arrias schreibt, dass
am 10.12.1920 beschlossen worden sei, Emanuel Lasker die Ehrenmitgliedschaft
anzubieten. In diesem Nachruf wird weiter berichtet, dass Prof. Baudet schon
im Alter von 15 Jahren ein ausgezeichneter Schachspieler gewesen sei. Auch
als Cellist und Pianist habe er immer wieder brilliert. Das Laska-Spiel sei
Baudet von Lasker "zur Beurteilung" übergeben worden. Dieses Austesten
des Laska-Spieles durch den Mathematikprofessor sei für Lasker außerordentlich
vorteilhaft gewesen, da sich Baudet dem Spiel "sofort mit unbändigem
Eifer" gewidmet habe. Der Laska-Spieltest wird von Frau Arrias als "ein
glücklicher Einfall" des Schachweltmeisters bezeichnet, weil Lasker "sicher
einen geistreicheren Propagandisten für seine neue Erfindung nicht hätte treffen
können". So nimmt es denn auch nicht Wunder, dass Lasker ihren Angaben
zufolge schon sechs Monate später keine Laska-Partie mehr gegen Baudet zu
gewinnen vermochte. Der Schüler war somit bereits nach einem halben Jahr besser
als sein Lehrer. Zu dieser Aussage passt auch die Veröffentlichung einer Laska-Partie
in "Brettspiele der Völker" (Lasker 1931: 230), welche Lasker 1920
in Den Haag gegen Baudet verlor. E. Arrias schreibt weiter, dass der Mathematikprofessor
bis zu seinem frühen Tod am 24.12.1921 Gründungsvorsitzender der Laska-Vereinigung
in Den Haag gewesen sei. Seiner Initiative sei auch die Ausschreibung des
ersten nationalen Laska-Turnieres in den Niederlanden zu verdanken. Nachdem
dieser Wettkampf bereits organisiert und vorbereitet worden sei, wäre Baudet
einen Tag vor dessen geplantem Beginn am 24.12.1921 plötzlich und unerwartet
verstorben. Der Todestag von Baudet ist demnach identisch mit Laskers 53.
Geburtstag. Der Start des ersten niederländischen Laska-Turnieres war somit
für den 25.12.1921, das heißt für den ersten Weihnachtsfeiertag, terminiert.
Ob das Turnier jemals stattgefunden hat oder nicht, erwähnt Frau Arrias leider
nicht. Die Tatsache, dass nirgendwo sonst in der Literatur über einen derartigen
Wettkampf berichtet wird, lässt jedoch vermuten, dass ein solches Laska-Turnier
niemals zustande kam.
Ein weiterer Beleg für die Verbreitung
des Laska-Spieles in den Niederlanden dürfte eine Annonce im "Orgaan
van het s'Gravenhaagsche Schaakgenootschap Discendo Discimus" sein. In
dieser Monatszeitschrift des Den Haager Schachclubs "Discendo Discimus"
erschien vom 1. Heft des 1. Jahrgangs bis zum 9. Heft des 8. Jahrgangs, d.h.
vom Februar 1924 bis zum September 1931, ununterbrochen in jedem Monatsheft
eine Werbeanzeige für "Laska" (persönliche Mitteilung von Frau Drs.
H. Reerink/Königliche Bibliothek Den Haag). Der betreffende Händler, K. Nieukerke
aus Den Haag, bot in der Annonce neben "Laska" auch Schach-, Dame-
und Mah-Jongg-Spiele an.
In Deutschland wurde "Laska"
offensichtlich ebenfalls intensiv beworben, wie die bereits zitierten Anzeigen
im Fachjournal "Wegweiser für die Spiel-, Galanterie- und Kurzwaren-Industrie"
aus dem Jahre 1911 belegen. Zur Verbreitung des Laska-Spieles trugen sicherlich
auch die mit dem Spiel verbundenen mathematischen Probleme und Denksportaufgaben
bei. So erschien bereits 1918 ein Buch mit dem Titel "Altes und Neues
aus der Unterhaltungsmathematik" (Ahrens 1918), dessen 15. Kapitel mit
"Laska" zusammenhängende spielmathematische Darstellungen enthält.
Der Autor verrät, dass er durch eine Vorlesung des Göttinger Mathematikprofessors
Edmund Landau zu seinen mathematischen Betrachtungen des Laska-Spieles angeregt
worden sei. Prof. Landau hatte sich zuvor bereits "Zur relativen Wertbemessung
der Turnierresultate" im Schach geäußert, als er eine algebraische Methode
zur Wertberechnung der Partien bei Schachturnieren vorschlug (Landau 1895).
Laut Ahrens habe der Zahlentheoretiker und Analytiker Landau im Sommersemester
1912 in Göttingen eine einstündige Vorlesung über mathematische Unterhaltungen
und Spiele vor über 100 Zuhörern gehalten. Diese Vorlesung sei in einer hektographierten
studentischen "Festschrift, Edmund Landau zur Feier der Ablehnung seiner
Berufung nach Heidelberg gewidmet von dankbaren Schülern" aufgezeichnet,
welche am 18.1.1913 in Göttingen erschienen sei. Landau habe sich 1912 in
seiner Vorlesung mit der Frage beschäftigt, welche Säulen bzw. Türme (d.h.
welche Kombinationen aufeinander gestapelter Spielsteine) aufgrund der Laska-Regeln
unmöglich seien. Der Göttinger Professor habe 1912 den mathematischen Beweis
für eine solche unmögliche Säule geliefert, der Mathematiker Roland Sprague
habe im gleichen Jahr die Unmöglichkeit dreier weiterer Säulen bewiesen. Schließlich
habe Detlef Cauer, der bei Landau Mathematik studiert habe, ebenfalls im Jahre
1912 die Unmöglichkeit einer fünften Säule mathematisch hergeleitet. Soweit
mir bekannt, ist seither kein einziger mathematischer Beweis für die Unmöglichkeit
weiterer Laska-Säulen publiziert worden! Die von Ahrens und Landau aufgeworfene
Frage "Welche von denjenigen Kombinationen, die man zunächst nach rein
formalen Gesichtspunkten aus den weißen, schwarzen, grünen und roten Steinen
auf dem Papier konstruieren kann, sind in der Wirklichkeit, d.h. den Spielgesetzen
nach, möglich, und welche sind unmöglich?" ist somit seit 1912 offensichtlich
nicht weiter bearbeitet worden. Der Berliner Mathematiker Roland Sprague hat
nach Laskers Angaben auch "einige wundervolle Endspiele" des Laska-Spieles
"komponiert", welche Lasker in "Brettspiele der Völker"
veröffentlichte (Lasker 1931: 231). In seinem 1961 erstmals aufgelegten Buch
"Unterhaltsame Mathematik" erwähnt Sprague das Laska-Spiel jedoch
nicht mehr, er beschäftigt sich vielmehr mit "einer Laskerschen Abart
von Nim" (Sprague 1969, Kap. 23). Lasker hatte sich diesem Spiel, das
er selbst "Nimm" nannte, in seinem Buch "Brettspiele der Völker"
ausführlich gewidmet (Lasker 1931: 170ff.). Er bezeichnete es dort als "mathematisches
Kampfspiel".
Die Verbreitung und Popularität des
Laska-Spieles vor der Machtergreifung Hitlers wird aber auch durch die unterschiedlichen
Hersteller und verschiedenen Ausgaben dieses Brettspieles belegt, denn die
Produktion von Spielsätzen unterschiedlicher Firmen trug sicherlich zur Verbreitung
von "Laska" bei. Der Fabrikant Hans Joseph aus Berlin-Schöneberg
war wohl der erste, der "Laska" auf den Markt brachte. Aufgrund
seiner Werbeanzeigen im "Wegweiser für die Spiel-, Galanterie- und Kurzwaren-Industrie"
ist anzunehmen, dass dies ab 1911 geschah. Einer Fußnote im Laska-Kapitel
des Buches "Altes und Neues aus der Unterhaltungsmathematik" (Ahrens
1918) ist zu entnehmen, dass die Spielsätze von Hans Joseph offenbar in fünf
verschiedenen Ausführungen zu kaufen waren. Sie seien "zu beziehen"
über die Züllchower Anstalten. Hingegen findet sich im "4. Ergänzungsband
zum Deutschen Spielhandbuch" (Arbeiter & Ruhnke 1937) der Hinweis,
dass diese Spiele in den Züllchower Anstalten "hergestellt" und
vom Ludwig Voggenreiter Verlag in Potsdam ausgeliefert würden. Der Verlag
nehme entsprechende Bestellungen entgegen. Dem Brettspiele-Buch von Arbeiter
und Ruhnke aus dem Jahre 1937 ist weiter zu entnehmen, dass es sich bei den
Züllchower Anstalten um einen in Stettin gelegenen Spieleversand handelte,
welcher vom Vater des Pastors und Turnvaters Jahn gegründet worden sei. In
den dortigen Werkstätten würden "alle guten Brettspiele in bester Ausführung
hergestellt". Diese widersprüchlichen Angaben zur frühen Produktion und
Vermarktung des Laska-Spieles werden noch verstärkt durch die Bemerkung von
Rudolf Rühle, dass "die Züllchower Anstalten spätestens im Weihnachtskatalog
1914/15 das Spiel "Laska" zum Kauf anbieten" (Rühle 2001).
Ein weiteres Werbebild für "Laska" findet sich im Reprint des Kataloges
zu Weihnacht 1915 der Leipziger Lehrmittel-Anstalt von Dr. Oskar Schneider.
Dieser Nachdruck ist 1986 unter dem Titel "Deutsches Spielzeug zur Kriegszeit
(1915)" im Schweizer Verlag Eisenbahn von Claude Jeanmaire herausgegeben
worden (persönliche Mitteilung von Herrn R. Rühle). Dem zweiten Band von "Spielpeterle
und Ratefritze", erschienen im Verlag der Dürr'schen Buchhandlung/Leipzig,
ist zu entnehmen, dass Laska-Spiele vom Verlag S. Ascher/Berlin vertrieben
wurden (Hemprich & Koch 1926). Aus den zum Teil widersprüchlichen Literaturangaben
ist somit nicht klar ersichtlich, welche Zusammenhänge zwischen der Firma
Hans Joseph/Berlin-Schöneberg, dem Verlag S. Ascher/Berlin und den Züllchower
Anstalten/Stettin hinsichtlich der Herstellung und Vermarktung von Laska-Spielen
bestanden. Immerhin ist es dem Autor gelungen, ein wohl aus dieser Zeit stammendes
Laska-Exemplar bei einem Berliner Privatsammler aufzuspüren, welches in Abb.
4 dargestellt ist.
insert Abb. 4 here
Wie man der beiliegenden Spielanleitung
entnehmen kann, handelt es sich offenbar um ein Produkt aus der Fabrik Hans
Joseph GmbH/Berlin-Schöneberg.
Auf der Innenseite des Pappdeckels
enthält dieses Laska-Spiel eine handschriftliche Widmung seines Erfinders,
welche in Abb. 5 wiedergegeben wird.
insert Abb. 5 here
Der Text der Widmung lautet: "Dem
jüngsten "Lasca" freunde [sic] Herrn Paul Klosak freundlich zugeeignet
Em Lasker." Bemerkenswert ist auch das mit gleicher Handschrift vermerkte
Datum der Widmung: "Jan 33", der Monat der Machtergreifung Hitlers
– sicherlich ein ganz besonderes Datum für die jüdische Familie Lasker!
Ein weiterer, namentlich nicht bekannter
Hersteller hat die Laska-Spielsteine produziert, welche auf Abb. 6 zu erkennen
sind.
insert Abb. 6 here
Nach Angaben ihres Berliner Besitzers
stammen sie wahrscheinlich aus den 1920er Jahren und sind angeblich in Deutschland
entstanden. Sie sind aus Holz gefertigt (im Gegensatz zu den Plastik-Spielsteinen
fast aller anderer Hersteller). Abb. 6 zeigt die Anfangsaufstellung der 2
× 11 Laska-Spielsteine auf einem Brett mit 25 kreisrunden Feldern.
Auch auf dem amerikanischen Markt
hat "Laska" in den 1920er Jahren offenbar eine gewisse Verbreitung
gefunden, wie die Herstellung und Vermarktung unterschiedlicher Ausgaben dieses
Brettspieles belegt. So befindet sich in einer Bonner Privatsammlung beispielsweise
eine Laska-Ausgabe der New Yorker Firma Block House aus dem Jahre 1928 (siehe
Abb. 7 und 8).
insert Abb. 7 and 8 here
Dieses Laska-Exemplar enthält neben
dem Spielbrett mit dem Spielsteinen (siehe Abb. 2) auch eine Spielbeschreibung
(siehe Abb. 8) mit Regeln und Spielbeispielen.
Darüber hinaus ist unter dem Namen
"Stax" im Jahre 1919 offensichtlich ein Laska-Plagiat bei der Stax
Company produziert worden (Barnard 1988). Diese Firma hatte Niederlassungen
in Plattsburg/New York und in Greenwich/Connecticut.
Laska-Spielsätze aus den Niederlanden
oder aus Großbritannien sind dem Autor bislang nicht bekannt geworden.
Das nach heutigem Wissensstand wahrscheinlich
letzte Laska-Dokument, welches von Lasker persönlich verfaßt wurde, ist ein
handschriftlicher Brief an seinen Neffen Wolfgang vom 1.8.1933. Das zweiseitige
Schreiben befindet sich in der Schwadron Collection of Autographs der Jewish
National & University Library Jerusalem. Es ist in Den Haag entstanden
und beinhaltet sowohl verkaufsstrategische Anleitungen und Hinweise zum Laska-Spiel
als auch den Anspruch seines Erfinders auf eine prozentuale Umsatzbeteiligung
bei Vermarktung und Verkauf dieses Brettspieles. Der Brief ist in der kürzlich
erschienenen Lasker-Dokumentation von Michael Dreyer und Ulrich Sieg abgedruckt
(Dreyer & Sieg 2001).
Zusammenfassend lässt sich somit
feststellen, dass "Laska" in den gut 20 Jahren zwischen der Erstveröffentlichung
(1911) und der nationalsozialistischen Machtergreifung (Januar 1933) besonders
in Deutschland, in den Niederlanden und in den USA verbreitet war. Neben verschiedenen
Herstellern und Verkäufern interessierten sich vor allem deutsche Mathematiker
(Ahrens, Landau sowie seine Schüler Cauer und Sprague), aber auch der Delfter
Mathematikprofessor Baudet für dieses strategische Brettspiel. Nach der Machtergreifung
Hitlers wurde die Erfindung des jüdischen Mathematikers Lasker in Deutschland
hingegen wenig beachtet: Das Laska-Spiel wird während des "Dritten Reiches"
nur ein einziges Mal in der Literatur erwähnt, und zwar auf zwei Seiten des
4. Ergänzungsbandes zum Deutschen Spielhandbuch. Der Band erschien 1937 im
Potsdamer Voggenreiter Verlag und beschäftigt sich mit Brettspielen (Arbeiter
& Ruhnke 1937). Auch im Nachkriegsdeutschland ist "Laska" bis
1969 nur dreimal in der Literatur vertreten, unter anderem in der mehrfach
aufgelegten Lasker-Biographie von Jacques Hannak (Hannak 1952), der die schon
erwähnten philosophisch-existentialistischen Implikationen des Spieles würdigt.
Die Renaissance eines fast vergessenen strategischen
Brettspieles
Die Wiederentdeckung von "Laska"
erfolgte in zwei Wellen, nämlich
- zunächst in Aufsätzen
deutscher Print-Medien der 1970er, 1980er und 1990er Jahre, sowie
- seit 1986 parallel
dazu auch international über digitale Medien wie Computer und Internet.
In deutschen Print-Medien finden
sich für die 30 Jahre zwischen 1970 und 1999 etwa 36 Artikel bzw. Buchkapitel
über "Laska" (für die 30 Jahre zwischen 1940 und 1969 hingegen nur
ganze drei!), nämlich acht in den 1970er Jahren, 16 in den 1980er Jahren und
zwölf in den 1990er Jahren. Die für mich interessanteste Laska-Veröffentlichung
aus dem Zeitraum von 1970 bis 1999 ist der zweitälteste dieser 36 Artikel,
erschienen im Oktober 1971 in der Zeitschrift "Bild der Wissenschaft".
Auf Anregung eines gewissen Herrn Gerhardt Natalis aus Schlitz wurde damals
in der Rubrik "Das Mathematische Kabinett" ein Text zum Thema "Können
Sie Laska spielen?" abgedruckt. Die Publikation enthält neben den Spielregeln
u.a. einen "Schnittmusterbogen" zum Basteln hütchenförmiger Spielsteine
aus Papier. Aber auch das alte Landau'sche Problem des mathematischen Beweises
unmöglicher Säulentypen wird wieder aufgegriffen: Eine bereits 1912 von Sprague
bewiesene unmögliche Säule wird erneut vorgestellt, und der Artikel endet
mit der Frage: "Welche unmöglichen Säulentypen gibt es noch?" Leider
hat diese Frage nach meinem Informationsstand seit 1912 (damals wurden ja
bekanntlich fünf unmögliche Säulentypen mathematisch bewiesen) keine weitere
Antwort gefunden! Nebenbei erwähnt der anonyme Autor dieser Zeilen auch noch,
dass Lasker selbst die Anzahl möglicher Säulen auf ungefähr drei Millionen
geschätzt habe. In den Jahren 2001 und 2002 sind meines Wissens mindestens
fünf Artikel über "Laska" veröffentlicht worden.
Während sich diese in Print-Medien erschienenen
Publikationen zu "Laska" hauptsächlich auf Deutschland konzentrierten,
entstand seit 1986 parallel dazu ein internationales Interesse für dieses
Brettspiel in digitalen Medien wie Computer und Internet: Bereits 1986 und
1992 wurden am Department of Computer Science der Universität Auckland/Neuseeland
unter der Leitung von Dr. Alan Creak zwei Computerprogramme entwickelt, mit
denen man "Laska" spielen konnte. Das erste dieser beiden Programme
wurde 1986 von Steven Lomas fertiggestellt, es handelte sich um ein Pascal-Programm
für MacIntosh-Rechner. Im Jahre 1992 folgte dann ein Prolog-Programm von Graham
Hood. Beide Software-Programme werden unter
http://www.cs.auckland.ac.nz/~alan/exstudnt.htm
von Alan Creak beschrieben. Im Jahre 1999 entwickelte Bruce Wilford, damals
Student an der University of California/Los Angeles, ein Unix-basiertes Software-Spielprogramm
für "Laska". Dieses Programm konnte u.a. berechnen, dass die kürzest
mögliche Laska-Partie bereits nach acht Zügen verloren geht
(so gen. "Matt-in-n-Zügen-Problem"
mit n = 8). Zuvor hatte Willem van der Vegt aus Zwolle/Niederlande mit seinem
Ende der 1990er Jahre entwickelten Laska-Spielprogramm berechnet, dass bis
zum Verlust einer Laska-Partie mindestens elf Züge notwendig sind. All dies
ist nachzulesen in einem Artikel, den David Johnson-Davies im Juni 1999 unter
http://research.interface.co.uk/lasca
ins Internet gesetzt hat. Dieser interessante
Text enthält Informationen über den Ursprung des Spieles, die Spielregeln,
ein Spielbeispiel, Problemstellungen mit Lösungen sowie einen Abschnitt über
Computer-Laska. Sehr instruktiv sind die mehrfarbigen Illustrationen der einzelnen
Spiel- und Problemstellungen. Schließlich werden auch Links zu den verwandten
Säulenspielen "Emergo"
(http://www.mindsports.net/arena/emergotutor)
und "HexEmergo"
(http://www.mindsports.net/arena/hexemergotutor)
angeboten. Die im Text erwähnte "Clare College Lasca Association"
existiert allerdings nicht mehr (persönliche Mitteilung von David Johnson-Davies).
Ebenfalls Ende der 1990er Jahre hat der Niederländer Sander Agricola ein Software-Programm
entwickelt, mit dessen Hilfe zwei Gegner im Internet
"Laska" spielen können
(http://www.playdorado.com/lasca/index.htm).
Das Programm kann auf alle gängigen Personal Computer heruntergeladen werden.
Es besticht durch eine mehrfarbige, pseudo-dreidimensionale Graphik. Ähnlich
schön anzuschauen ist eine Laska-Version, die der deutsche Mathematiker Karl
Scherer im Jahre 2000 ins Internet gesetzt hat
(http://www.zillions-of-games.com/games/mylaska.html).
Er lebt ebenfalls in Auckland/Neuseeland, hat aber nach eigenen Angaben bislang
keinerlei Kontakte zu Alan Creak und seiner Arbeitsgruppe am Department of
Computer Science der dortigen Universität. Scherer hat sein Programm "Mylaska"
genannt. Es handelt sich um eine vereinfachte Laska-Variante, denn aus Gründen
der besseren Programmierbarkeit hat Scherer die Regel eingeführt, dass Säulen
maximal aus zwei Spielsteinen bestehen dürfen. Aber auch diese vereinfachte
Laska-Version hat ihren Reiz! Der bereits erwähnte Willem van der Vegt hat
im Jahre 2000 im niederländischen Städtchen Windesheim ein großes Computer-Laska-Turnier
mit 28 Teilnehmern organisiert. Das Turnier fand im Rahmen der niederländischen
"Informaticaolympiade 2000" statt. Es wurde von etlichen niederländischen
Universitäten sowie von Industrieunternehmen aus der Telekommunikations-Branche
unterstützt und stand unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Unterricht,
Kultur und Wissenschaften. Sowohl die Spielregeln (allerdings nur in niederländischer
Sprache) als auch die Notation und die Spielzüge jeder einzelnen während dieses
Turniers gespielten Laska-Partie sind im Internet abrufbar
(http://afdelingen.windesheim.nl/cvo/cvoprijs
oder
http://www.informaticaolympiade.nl/nio20000/ronde1/lasca.exe
oder
http://www.informaticaolympiade.nl/nio2000/ronde1/nio2000-1.html).
Sämtliche Teilnehmer mussten gegeneinander antreten, so dass eine nahezu unerschöpfliche
Auswahl von 756 höchst unterschiedlichen Laska-Partien entstand! Auch die
Software von Willem van der Vegt beeindruckt durch ihre übersichtliche, mehrfarbige
Graphik. Sieger dieses Mammut-Turnieres und damit Gewinner des Windesheimpreises
2000 wurde der Niederländer Carlo Kok. Der Engländer Duncan Witham ist seit
Oktober 2001 damit beschäftigt, sein Laska-Spielprogramm zu perfektionieren.
Ebenso wie Willem van der Vegt hat Duncan Witham sein Programm in "Java"
implementiert, sowohl sein Programm als auch das Programm von Willem van der
Vegt können auf sämtliche gängigen Personal Computer heruntergeladen werden.
Mit Hilfe der Java-Software lassen sich mit beiden Programmen Laska-Partien
spielen. Duncan Witham studiert am Department of Computer Science der Universität
Warwick, das Laska-Spielprogramm ist seine Diplom-arbeit. Neben einer kurzen
historischen Spieleinführung beschreibt er minutiös die einzelnen Schritte,
Methoden und Ziele bei der Erstellung seiner Software
(http://www.dsc.warwick.ac.uk/~csuom).
Die Projektarbeit von Duncan Witham und damit auch sein computergestütztes
Laska-Spielprogramm steht kurz vor dem Abschluß. Duncan Witham hat einen Rechenalgorithmus
in die Java-Software implementiert, mittels dessen der Personal Computer "intelligent"
"Laska" spielen kann. Der Autor gibt auch einige interessante spieltaktische
Hinweise: Die schwarzen Spielsteine (d.h. das Ziehen als zweiter Spieler)
böten einen Vorteil gegenüber den weißen Spielsteinen, die jeweils zuerst
ziehen müssen. Defensive Spieler, so glaubt Ducan Witham, würden besser abschneiden
als offensive Spieler. Er habe eine "Evaluationsfunktion" in sein
Software-Programm integriert, welche defensive und offensive Spielstile bewerten
könne.
Es wird computerbegeisterten Internet-Surfern
sicherlich gelingen, zukünftig zu entscheiden, welche Vorteile und Nachteile
all diese digitalen Laska-Versionen haben.
Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben,
dass neben "Emergo" und "HexEmergo" weitere dem "Laska"
verwandte Säulenspiele im Internet vorhanden sind: Unter
http://www.plateaugame.com
beispielsweise sind Informationen über "Plateau" zu erhalten. Sowohl
die Entstehungsgeschichte dieses Säulenspieles als auch das dazugehörige,
1997 entstandene Software-Spielprogramm ("Virtual Plateau") mit
Quellcode werden vorgestellt. Außerdem werden etliche wertvolle Hinweise zu
Literatur über das Plateau-Spiel aufgelistet, so z.B. einige Strategie-Artikel.
"Gomony", eine Laska-Variante auf einem Schachbrett mit 8 × 8 Feldern,
ist seit November 1997 ebenfalls im Internet vertreten
(http://www.geocities.com/abstractstrategy/gomony.html).
Leider ist es mir bislang nicht gelungen, mit den Links dieser Internet-Seite
an weitere Informationen über "Gomony" heranzukommen. Unter der
Bezeichnung "Russian Towers" ("russische Türme") ist auch
ein Baschni-Spielprogramm im Internet verfügbar
(http://www.mipt.ru/en/download.html
oder
http://www.shaski.ru/eng/programs.htm).
Die von Sergey N. Ivanov aus
Moskau in kyrillischer Schrift entwickelte Software arbeitet noch mit Windows
95, allerdings nicht fehlerfrei. Deshalb hat Steve Evans aus Tasmanien/Australien
kürzlich eine besser funktionierende Software-Version für "Russian Towers"
("Baschni") geschrieben, die unter
http://www.netspace.net.au/~trout/towers.exe
aus dem Internet heruntergeladen werden kann und mit Windows 98 arbeitet,
leider jedoch nicht mit Windows 2000.
Auch unter
http://www.zillions-of-games.com/games/russiancheckers.html
findet sich im Internet ein Baschni-Spielprogramm. Es steht in vier Spielvarianten
zur Verfügung und wurde von Karl Scherer aus Auckland/Neuseeland programmiert.
Alle vier Spielvarianten können auf Personal Computer heruntergeladen werden.
Selbstverständlich werden auch die Spielregeln erklärt. Die Baschni-Spielregeln
finden sich ebenso unter
http://sunsite.informatik.rwth-aachen.de
im Internet. Diese Web-Seite enthält auch eine Spielbewertung. Schließlich
hat auch Arthur H. Olsen aus Brook-lyn/New York eine informative, ausführliche
Spielanleitung für Baschni ins Internet gesetzt
(http://ourworld.compuserve.com/homepages/Arthur_H_Olsen/Russian.htm).
Sein Text endet mit etlichen weiteren Links zu "Russian
Draughts" und "Russian Checkers". In niederländischer Sprache
sind Regeln und taktische Hinweise folgender Säulenspiele im Internet abrufbar:
Zu "Pasta" findet man Informationen unter
http://www.vanmaanen.org/hans/boeken/wolf/pasta.html,
zu "Focus" unter
http://www.vanmaanen.org/hans/boeken/wolf/focus.html.
Weitere Kurzbeschreibungen und Bewertungen des Säulenspieles
"Focus"/"Domination" sind unter
http://www.boardgamegeek.com,
unter
http://www.gameserver.it/database/ency,
unter
http://kumquat.com/cgi-kumquat/fumagain
sowie unter
http://www.webnoir.com/bob/sid/domination.htm
im Internet nachzulesen.
Aber nicht nur die vielen Präsentationen
des Laska-Spieles in Print-Medien und Internet belegen die Renaissance dieses
Säulenspieles. Auch die Neuauflagen von "Laska" durch verschiedene
Spielehersteller dokumentieren seine Wiederentdeckung und zunehmende Verbreitung:
So hat die Firma F. X. Schmid (zunächst in Prien am Chiemsee ansässig, später
nach München übersiedelt) das Spiel in den Jahren 1973 bis 1975 neu aufgelegt.
Eine zweite Auflage erfolgte ab 1986, die entsprechenden Spielsteine sind
in Abb. 3 zu sehen. Etwa ab 1994 (persönliche Mitteilung des Herstellers)
wurde "Laska" dann in einer preiswerten Plastik-Box-Reihe bei Peter
Wünnenberg in Dortmund produziert. Dort seien noch etwa 1000 Exemplare vorrätig
(http://www.toy-toy-toy.com).
Wertvolle handgefertigte Laska-Spielsätze mit
Holz-Spielsteinen in Mahagony-Spielkästen stellt Bob Oswald in England her
(http://www.runemaker.net/woodengames/bespoke.htm).
Schließlich muss noch
ein weiteres Plagiat des Laska-Spieles erwähnt werden, welches 1985 von Design
Games in Irland unter dem Namen "Senator" auf den Markt gebracht
wurde (Rühle 2001).
Die Tatsache, dass somit seit 1973 mindestens
fünf Neuauflagen von Laska-Spielsätzen erschienen sind, belegt die Popularität
dieses Säulenspieles in unserer heutigen Zeit.
Abschließend bleibt zu hoffen, dass dem Laska-Spiel
auch zukünftig die ihm gebührende weltweite Anerkennung und Verbreitung zukommen
wird. Dazu können internationale Turniere ebenso wie die neuen digitalen Medien
(Internet) und die Internationale Emanuel-Lasker-Gesellschaft/Berlin (http://www.lasker-gesellschaft.de)
beitragen.
Zusammenfassung
Das strategische Brettspiel "Laska"
wurde vom deutsch-jüdischen Schachweltmeister Dr. Emanuel Lasker erfunden.
Dabei wurde er wahrscheinlich vom russischen Baschni-Spiel inspiriert. Laska-Spielsätze
wurden erstmals 1911 in Berlin hergestellt, auch die ersten deutschen und
englischen Veröffentlichungen zu "Laska" stammen aus diesem Jahre.
Das Spiel ist nach dem russischen "Baschni" das zweitälteste in
einer Familie von mittlerweile etwa zwölf so genannten Säulen- oder Turmspielen.
Es ist mit dem Damespiel verwandt, hat aber auch Beziehungen zum Schachspiel.
Der entscheidende Unterschied zum Damespiel besteht darin, dass geschlagene
bzw. übersprungene Spielsteine nicht wie beim Damespiel vom Brett genommen
werden, sondern unter dem schlagenden bzw. überspringenden Stein mitgeführt
und zu Säulen bzw. Türmen aufgestapelt werden.
Von 1911 bis zur nationalsozialistischen
Machtergreifung im Januar 1933 fand Laska zunächst in Deutschland, in den
Niederlanden und in den USA Verbreitung. So wurde beispielsweise am 26.11.1920
in Den Haag eine Laska-Vereinigung gegründet. Speziell Mathematiker, aber
auch Spieleproduzenten interessierten sich für dieses strategische Brettspiel.
Nach der Machtergreif-ung Hitlers wurde Laska im "Dritten Reich"
nahezu totgeschwiegen. Selbst nach Ende des 2. Weltkrieges fand das Säulenspiel
25 Jahre lang kaum Beachtung. Seine Renaissance begann erst in den Print-Medien
der 1970er, 1980er und 1990er Jahre. Parallel dazu wurde "Laska"
seit 1986 zunehmend für digitale Medien (Computer und Internet) interessant.
Die Spielehersteller entdeckten es ebenfalls neu.
Literatur
Ahrens, Wilhelm. 1918. Altes und Neues aus der Unterhaltungsmathematik. Berlin.
Anonymus. 1911. Werbe-Anzeigen für das Lasca-Spiel.
In: Wegweiser für die Spiel-, Galanterie- und Kurzwaren-Industrie,
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Anonymus. 1912. "Lasca". In: Wiener Schachzeitung, 15: 26.
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Sie Laska spielen? In: Bild der Wissenschaft, 8: 1060-1067.
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– 4. Ergänzungsband zum Deutschen Spielhandbuch. Potsdam.
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2. Aufl. Braunschweig.
Abbildungslegenden
Abb. 1: Laska-Spielbrett
Abb. 2: Lasca-Spiel der Firma Block House (New York
1928)
Abb. 3: Laska-Spielsteine der Firma F. X. Schmid
(München 1986)
Abb. 4: deutsches Laska-Spiel (wahrscheinlich 20er Jahre)
Ein solches Spiel ist abgebildet als No. 12303 auf S. 156
des Weihnachtskataloges
für das Jahr 1915 aus der Leipziger Lehrmittel-Anstalt von
Dr. Oskar Schneider.
Abb. 5: handschriftliche Widmung von Emanuel Lasker
auf der Innenseite des Pappdeckels
des in Abb. 4 gezeigten Laska-Spieles
Abb. 6: hölzerne Laska-Spielsteine (wahrscheinlich
Deutschland 1920er Jahre)
Abb. 7: Deckel des in Abb. 2 gezeigten Lasca-Spieles
Abb. 8: Spielbeschreibung des in Abb. 2 gezeigten
Lasca-Spieles
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